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„Perverse Kreativität“

Interview mit Karl-Heinz Brodbeck, Professor für Volkswirtschaftslehre, Statistik und Kreativitätstechniken an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt und an der Hochschule für Politik in München sowie Vorsitzender des Kuratoriums der Frankfurter Fairness-Stiftung zum Thema Mobbing

Würzburg/München (POW) Mobbing zerstört Menschen und kostet die Wirtschaft ebenso wie die Gesellschaft Unsummen. Gründe, weshalb sich mittlerweile auch Wissenschaftler mit dem Problem auseinandersetzen. Karl-Heinz Brodbeck, Professor für Volkswirtschaftslehre, Statistik und Kreativitätstechniken an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt und an der Hochschule für Politik in München, ist Vorsitzender des Kuratoriums der Frankfurter Fairness-Stiftung. Die unterstützt vor allem Führungskräfte, wenn sie zur Zielscheibe unfairer Attaken werden, und bietet betroffenen Unternehmen Hilfe. Im folgenden Interview ordnet Professor Brodbeck Mobbing in die gesellschaftspolitischen Veränderungen der vergangenen Jahre ein und spricht über Ursachen und Möglichkeiten der Prävention.

POW: Professor Brodbeck, kann man bei Mobbing von einem Randphänomen der Arbeitswelt sprechen?

Professor Brodbeck: Nein. Es hat wohl zu allen Zeiten dieses Phänomen gegeben. Doch es ist zu beobachten, dass sich in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts Mobbing-Prozesse sowohl quantitativ vermehrt als auch qualitativ verändert haben. Man kann eine geradezu perverse Kreativität darin entdecken, auf welche Weise unfaire Attacken in Unternehmen und Organisationen initiiert werden. Wenn man das Ausmaß von Mobbing allerdings beziffern möchte, bewegt man sich im statistischen Nebel. Bezieht man alle Folgeschäden mit ein (Gesundheitssystem, Frühverrentung, Rechtskosten, betriebswirtschaftliche Schäden etc.), so dürfte ein dreistelliger Milliardenbetrag zusammenkommen.

POW: Welche Ursachen sehen Sie für Mobbing am Arbeitsplatz?

Professor Brodbeck: Es gibt sehr viele Ursachen, jeweils abhängig vom einzelnen Unternehmen und seinen Mitarbeitern. Doch die meisten dieser Ursachen haben, so scheint mir, nur einen Grund: In den 90er Jahren, begleitet vom Aktienboom, haben sich die großen Unternehmen grundlegend gewandelt. Unternehmensziele orientieren sich heute nicht mehr primär an Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten, dem sozialen Umfeld – durchaus mit der Absicht, Gewinn zu erwirtschaften. Ins Zentrum sind heute die Interessen der Anleger gerückt. Anleger haben kein Verhältnis zum Unternehmen und blicken nur auf die Rendite einer Aktie. Der schnellste Weg zur Steigerung der Rendite sind Kostensenkung und forcierte Leistungssteigerung. Daraus entsteht eine innerbetriebliche Spannung, damit ein unheilsamer Nährboden für Mobbing. Der von den großen Unternehmen ausgehende wachsende Kostendruck verändert auch für kleinere und mittelständische Betriebe die Wettbewerbssituation – mit ähnlichen Folgen für deren Arbeitsklima.

POW: Welche Rolle spielen die Angst vor Arbeitslosigkeit und die hohe Arbeitsbelastung?

Professor Brodbeck: Beide sind eine Folge der Kostensenkungspolitik im Zeichen der wachsenden Fesselung von Unternehmen durch Anlegerinteressen. Die Angst macht blind und fördert egoistisches Verhalten, während die zunehmende Arbeitsbelastung im Gegenzug die Schwelle psychischer Belastbarkeit senkt. Mobbing ist die Folge.

POW: Was können Unternehmen tun, um gegen Mobbing präventiv vorzugehen?

Professor Brodbeck: Das Wichtigste wäre eine veränderte Motivation, gepaart mit kaufmännischer Vernunft. Das Management der Unternehmen, aber auch die Anleger sollten begreifen, dass man durch eine permanente Drohkulisse im Windschatten der Kostensenkung keine dauerhafte Qualität produziert. Zudem wird dadurch die innerbetriebliche Kreativität erstickt. Das sind, im Unterschied zu sinkenden Kosten, die sich sofort in Quartalszahlen niederschlagen, langfristig wirkende Faktoren. Doch das bittere Ende in Gestalt sinkender Betriebsergebnisse als Folge erlahmender Innovationen ist absehbar. Das müsste eigentlich auch einen Anleger überzeugen, der sich nur durch Geldgier leiten lässt. Doch vor allem für das Management erwachsen hier neue Aufgaben. Da es aber vielfach an einer entsprechenden Qualifikation fehlt, ist eine deutliche Akzentverschiebung in der Ausbildung künftiger Führungskräfte erforderlich: Wirtschaftsethik muss ein Pflichtfach werden. Ethik ist erlernbar, und nur wer die Notwendigkeit für ethisches Verhalten erkennt, kann auch unfaire Attacken im Betrieb rechtzeitig entdecken und verhindern.

(0406/0125)