Kloster Oberzell/Würzburg (POW) Im Sankt Raphaelsheim am Haugerring 9 in Würzburg finden wohnungslose Frauen seit Anfang 2022 nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch intensive Unterstützung. „Frauenobdach Plus“ nennt sich das Modellprojekt, für das die Stadt Würzburg mit den Oberzeller Franziskanerinnen kooperiert. Das Besondere: Die sozialpädagogische Begleitung der untergebrachten Frauen geht deutlich über die Grundleistungen hinaus, zu denen jede Kommune verpflichtet ist. Das Modellprojekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert. Zudem gibt es finanzielle Unterstützung aus der Stiftung Obdachlosenhilfe Bayern, teilen die Oberzeller Franziskanerinnen mit.
„Wir sind sehr froh, für die vulnerable Personengruppe obdachloser Frauen in Würzburg eine Partnerin gefunden zu haben, die sich in diesem Metier auf Expertise und Erfahrungen berufen kann. Die Situation der betroffenen Frauen wird durch fachliche Begleitung sowie in Bezug auf die objektive Sicherheit deutlich verbessert“, betonte Dr. Hülya Düber, Sozialreferentin der Stadt Würzburg. Beim Ortstermin am Mittwoch, 2. Februar, dankte Generaloberin Schwester Dr. Katharina Ganz der Stadt Würzburg für die gute Kooperation während der vergangenen Monate und für die Geduld, dass die neuen Bewohnerinnen später als ursprünglich geplant einziehen konnten.
Ganz dankte auch Verwaltungsleiter und Ökonom Matthias Hart sowie Karola Herbert, Leiterin des Fachbereichs Frauen, die von Seiten der Kongregation maßgeblich die Gespräche geführt und das Betreuungskonzept „Obdach Plus“ ausgearbeitet haben. „Ich bin stolz und froh, dass wir mitten in der Stadt neuen Wohnraum für obdachlose Frauen schaffen konnten. Denn alle Menschen sollen in der Mitte unserer Gesellschaft einen Platz haben. Für besonders Bedürftige einzustehen, ist eine zentrale kommunale und kirchliche Aufgabe. Mit dem neuen Projekt stehen wir ganz im Sendungsauftrag unserer Gemeinschaft.“ Die Oberzeller Handwerker mit ihrem technischen Betriebsleiter Udo Hofer hatten kräftig Hand angelegt, um die Brandschutzanforderungen zu erfüllen und die Zimmer bezugsfertig zu gestalten. Erfreut zeigte sich die Generaloberin auch, dass Sozialpädagogin Susanne Göckelmann die Betreuung der Bewohnerinnen übernimmt. Die langjährige Mitarbeiterin leistet die Basisbegleitung der Frauen vor Ort und arbeitet eng mit der städtischen Fachstelle Wohnungsnotfallhilfe zusammen.
Die Kongregation vermietet zwei Stockwerke an die Stadt, die sogenannten „Verfügungswohnraum“ bereitstellen muss. Bisher waren Frauen und Männer in der städtischen Notunterkunft in der Sedanstraße in Würzburg zwar in getrennten Wohnbereichen, aber im gleichen Gebäudekomplex untergebracht. Das war für viele Frauen aufgrund ihrer Lebensgeschichte sehr problematisch. Im Sankt Raphaelsheim stehen für wohnungslose Frauen nun 19 Einzelzimmer und zwei separate Wohneinheiten zur Verfügung. Es gibt Gemeinschaftsküchen, Aufenthalts- und Büroräume. Betreiberin der Unterkunft und somit verantwortlich für die ordnungsrechtliche Unterbringung sowie sicherheitsrechtlich einweisende Behörde ist die Stadt Würzburg. Kommunen sind verpflichtet, eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen und den betroffenen Menschen ein sozialpädagogisches Angebot zu unterbreiten. Für die grundlegende sozialpädagogische Begleitung, zu der jede Kommune verpflichtet ist, beauftragte die Stadt den Fachbereich Frauen der Oberzeller Franziskanerinnen.
Der Fachbereich Frauen konnte sogar noch mehr erreichen. Sozialpädagogin Herbert initiierte das Projekt „Frauenobdach Plus“. Außer Wohnraum und Grundversorgung gibt es für die wohnungslosen Frauen Gesprächsangebote, Freizeitgestaltung, Hilfe in der Haushaltsführung und der Körperhygiene, Training im Umgang mit PC und sozialen Medien, medizinische Beratung und einiges mehr. Vier Mitarbeiterinnen teilen sich die Vollzeitstelle für diese intensive Begleitung. Ihr wesentliches Ziel: zu den untergebrachten Frauen Kontakt herstellen, ihr Vertrauen gewinnen, Beziehungen aufbauen und ihnen eine Perspektive bieten. Für die Bewohnerinnen der Unterkunft ist das ein freiwilliges und vor allem niederschwelliges Angebot. Die Sozialpädagoginnen helfen den Frauen auch bei der Wohnungssuche oder planen gemeinsame Essensangebote, um das Sozialverhalten zu stärken – alles Hilfestellungen, um wieder ein Leben an einem festen Wohnort aus eigener Kraft zu ermöglichen.
„Nur über den Aufbau von Beziehung kann Veränderung einsetzen“, sagte Herbert. Außenstehende nähmen oft nur das befremdliche Verhalten der betroffenen Frauen wahr. Nach früheren Gewalterfahrungen, Vernachlässigung oder Bindungsstörungen sei dieses Verhalten aber häufig zur Überlebensstrategie geworden. Das Vertrauen in Bezugspersonen wurde häufig verletzt. Die Mitarbeiterinnen des Fachbereichs Frauen bräuchten daher ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. Es bedürfe einer wertschätzenden Haltung und der Würdigung der Lebensleistung trotz – oder gerade auch wegen – der schwierigen Bedingungen, unter denen die Frauen bisher gelebt haben.
Ihr Konzept für dieses Modellprojekt reichte die Fachbereichsleiterin zur Förderung ein. Mit rund 23.000 Euro unterstützt die Stiftung Obdachlosenhilfe Bayern das Modellprojekt. Diese Mittel werden unter anderem für die Ausstattung der Unterkunft sowie für Freizeitangebote, medizinisches Material oder auch die Schulung Ehrenamtlicher verwendet. Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales hat aus seinem Aktionsplan „Hilfe bei Obdachlosigkeit“ rund 51.000 Euro für „Frauenobdach Plus“ in Würzburg zugesagt – zunächst befristet für ein Jahr, mit der Option auf Verlängerung. Damit können größtenteils die Personalkosten gedeckt werden. Zehn Prozent müssen laut Förderrichtlinien aus Eigenmitteln bestritten werden. Die Oberzeller Franziskanerinnen leisten allerdings mehr.
Außer den wohnungslosen Frauen leben im Sankt Raphaelsheim noch Studentinnen. Geplant ist auch eine Wohngemeinschaft von Oberzeller Schwestern mit Gleichgesinnten. Die Ordensfrauen werden die Atmosphäre des Hauses mitprägen und wollen sich ehrenamtlich mit ihren Begabungen einbringen. Das Modellprojekt „Frauenobdach Plus“ steht ganz im Zeichen von Antonia Werr, der Würzburgerin, die 1855 die Kongregation der Oberzeller Franziskanerinnen gründete. Gemäß ihres Sendungsauftrages möchten Schwestern und Mitarbeiter(innen) Frauen in benachteiligenden Lebenssituationen zur Seite stehen. „Wir begegnen den Frauen mit Respekt und Wertschätzung und wollen ihnen eine Chance bieten“, erklärte Herbert.
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