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„Für die Kirche muss der Sport von Interesse sein“

Interview mit Helmut Betz vom Arbeitskreis „Kirche und Sport“ in Bayern – Warum die Kirche nicht nur im Jahr der Fußball-Europameisterschaft und der Olympischen Spiele dort präsent sein sollte, wo Menschen ihr Leben gestalten

Würzburg/München (POW) Mit der Fußball-Europameisterschaft und den Olympischen Sommerspielen stehen in den kommenden Wochen zwei sportliche Großereignisse im Mittelpunkt. Wie steht es um das Verhältnis zwischen Sport und Kirche? Zählt auch das Wallfahren ein Stück weit zur sportlichen Tradition in der Kirche? Helmut Betz (49), Theologischer Referent für den Arbeitskreis „Kirche und Sport“ in Bayern, setzt sich im folgenden POW-Interview mit diesen Fragen auseinander.

POW: Viele Kirchgänger haben mit Leibesertüchtigung wenig am Hut. Gläubige Spitzensportler, die auch offen zu ihrer Religion stehen, gibt es nur wenige. Sport und Kirche – wie kann das zusammen gehen?

Helmut Betz: Dass in kirchlichen Kreisen ab und zu immer noch ein distanziertes, mit Vorbehalten behaftetes Verhältnis zu allem Körperlichen auftaucht, ist wohl wahr. Ich sehe aber inzwischen demgegenüber doch auch oft ein differenzierteres Hinschauen auf die Bedeutung des „Körperlichen“ im Rahmen der christlichen Überzeugung von einem „ganzheitlichen“ Menschenbild. Der Mensch wird in der christlichen Theologie als Einheit aus Seele, Geist und Körper betrachtet, was etwa bei Jenseitsvorstellungen vergessen wird, nach denen nur die Seele auferstehen soll. Es geht um das Heil des „ganzen“ Menschen, gerade auch schon im Hier und Jetzt. Andererseits haben Christen gute Gründe, kritisch auf eine einseitig geprägte Wohlfühlkultur mit Wellness hier und verschiedensten Ideologien zu gesunder Ernährung und Bewegung dort zu schauen, die das Heil allein in einem irgendwie ausgeprägten Gesundheitskult suchen. Hier wird vielfach die Gebrochenheit der menschlichen Existenz ausgeblendet, die sich in Krankheit und Tod zeigt und zum menschlichen Leben selbstverständlich dazugehört.

POW: Was hat die Kirche dem Sport zu geben?

Betz: Für die Kirche muss der Sport von Interesse sein, weil er eine gewichtige gesellschaftliche Realität ist und die Kirche dort präsent sein sollte, wo die Menschen ihr Leben gestalten. Und in sportlichen Dachorganisationen wird doch immer wieder auch die Frage nach ethischen Grundlagen des Sports gestellt, die im Sport selbst ja nicht zu finden sind. So hat die Kirche durchaus die Pflicht, einerseits auf Gefährdungen des Menschen im Sport hinzuweisen, die eventuell durch Kommerzialisierung, einseitiges Erfolgsstreben, Einfluss der Medien und Politisierung verursacht werden. Andererseits gilt es auch, die mögliche Vorbildfunktion des Sports für Kinder und Jugendliche zu erwähnen, die in einem fairen Verhalten aller Beteiligten in Training und Wettkampf entwickelt werden kann.

POW: Wo setzt die Kirche konkret in Sachen Sport an?

Betz: Einflussmöglichkeiten für die Kirche gibt es über die Ausschüsse Kirche und Sport im Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) und in anderen Landessportbünden, über den katholischen Sportverband DJK (Deutsche Jugendkraft), der als Verband mit besonderer Aufgabenstellung im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vertreten ist. Weiter über die diözesanen DJK-Sportverbände in der Arbeit mit ihren Vereinen, Vereinsverantwortlichen und in Übungsleiter-Aus- und -Fortbildungen, und zu guter Letzt über die Sportpfarrer, wenn sie bei verschiedenen Sportveranstaltungen und -gremien als Begleiter, Redner oder Priester auftreten. Mindestens genauso wichtig ist für mich, Sport und Bewegung bewusst als Methode für die Persönlichkeitsentwicklung im Hinblick auf Fairness, Selbstwertgefühl, Teamfähigkeit und Ähnliches sowie besonders auch für die Glaubensvermittlung einzusetzen.

POW: Können Sie das näher erklären?

Betz: Bei letzterem wird der Körper als Tor für spirituelle Erfahrungen und somit auch die christliche Sicht des ganzheitlichen Menschenbildes ernst genommen. Für die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit, für Katechese und Erwachsenenbildung, ebenso für spirituelle Angebote bieten Sport und Bewegung vielfältigste Möglichkeiten.

POW: Hat die Kirche das breite Feld Sport erst für sich entdeckt oder gibt es hier eine lange Tradition?

Betz: Kirchliche Würdenträger waren immer wieder bei sportlichen Veranstaltungen als Segensspender tätig. Bekannt ist mir, dass bei einer Vorform des Fußball- und Rugbyspiels mit dem Namen „Soule“, das sich bis ins 12. Jahrhundert zurückdatieren lässt und das an kirchlichen Fest- und Feiertagen gespielt wurde, der Priester vor dem Spiel die gegnerischen Parteien gesegnet hat. Das war wohl auch nötig, weil es dann ziemlich zur Sache gegangen ist. Von Verletzten und Toten liest man in verschiedenen Berichten. Aus dem 19. Jahrhundert wissen wir, dass, einhergehend mit der Entwicklung der Turnbewegung, auch in kirchlichen Verbänden Sport getrieben worden ist. Institutionell verankert wurde aber der Sport in der katholischen Kirche im Jahre 1920 mit der Gründung der DJK. Üblich war es damals, dass die verschiedenen, sehr stark ideologisch geprägten, gesellschaftlichen Gruppierungen jeweils für sich, also intern, ihre Sportgruppen hatten und nur intern Meisterschaften austrugen. Da konnte die Kirche nicht hinten anstehen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine gemeinsame Dachorganisation für den deutschen Sport gegründet, der Deutsche Sportbund (DSB). Die kirchliche DJK hat sich hier dann integriert mit dem von Prälat Ludwig Wolker geäußerten Anliegen, dass die DJK mit ihren christlichen Anliegen im deutschen Sport „wie ein Sauerteig“ wirken möge.

POW: Zählen Sie auch das Wallfahren ein Stück weit zur sportlichen Tradition in der Kirche?

Betz: Es gibt eine lange Wallfahrtstradition in der Kirche. Vielleicht wurde zunächst weniger das Gehen selbst als mehr oder weniger sportliche Bewegungsform reflektiert, sondern vielmehr die Erfahrung gemacht, dass die Bewegung des Gehens die Gedanken und Gefühle klarer werden lässt und hilft, den Menschen für spirituelle Erfahrungen zu öffnen. Wir können hier auch auf Jesus selbst zurückblicken, der als Wanderprediger wohl mehr in Galiläa zu Fuß unterwegs war als dass er sich irgendwo längere Zeit häuslich eingerichtet hätte.

POW: Zu Ihrem Angebot gehören Sportlerwallfahrten und Bergexerzitien. Heißt der Trend Rückbesinnung auf die Wandertradition Jesu? Also Schwitzen und Kraxeln als geistige Übung statt Beten und Meditieren?

Betz: Das eine schließt das andere nicht aus, sondern Bewegung und Meditation, Gebet unterstützen sich vielfach gegenseitig! Ein wesentliches Element des Betens und Meditierens ist die Aufmerksamkeit – ganz im Augenblick da und völlig präsent zu sein und nicht mehr von der Gedanken- und Bilderflut getrieben zu werden, die auf uns einstürzt und uns besetzt. Die Erfahrung zeigt, dass die gleichförmige Bewegung des Gehens oder Laufens dafür sehr hilfreich ist. Bei der Bewegung in den Bergen kommt das noch deutlicher zum Ausdruck, sicher weil zur Bewegung in der Ebene noch das „Hinauf und Hinab“ hinzukommen. Aber nicht nur die Bewegung allein, sondern auch das Phänomen, wie die Bergwelt gestaltet ist, übt auf viele einen besonderen Einfluss aus, der fürs Meditieren und Beten positiv genutzt werden kann. Der Soziologe und Philosoph Georg Simmel hat diese Erfahrung so auszudrücken versucht: „Hier ist das Leben von etwas umfangen und irgendwie in etwas hineingewebt, das stiller und starrer, reiner und höher ist, als das Leben je sein kann.“ Mein Kollege Knut Waldau und ich haben bei der Gestaltung der Bergexerzitien den Begriff von „prägenden Orten im Gebirge“ gebildet, die sich sowohl biographisch-existentiell als auch darüber hinaus transzendental interpretieren lassen. Im Gebirge gibt es mühsame Aufstiege, die erschöpfen, Steinwüsten, die Leere oder Mühsal symbolisieren, aber auch Pflanzen, in denen das Leben aufbricht, Übergänge über Scharten, Gipfel und vieles andere mehr, was die je eigene konkrete Lebenssituation aufdecken kann. Und die Bewegung hilft, diese Lebenssituation immer wieder anzusprechen und ins Gebet zu bringen, sie Gott hinzuhalten, ja, genau dieses Zusammengehen von Alltags- und Glaubensleben einzuüben. Exerzitien heißt ja nichts anderes als Üben, Einübung in ein geistliches Leben, das unser alltägliches durchdringt.

POW: Sie bieten Kurse, in denen Seelsorgerinnen und Seelsorger lernen können, Bergexerzitien zu leiten. Wie ist die Nachfrage und welche Voraussetzungen sind notwendig, um Bergexerzitien durchzuführen?

Betz: Wir machen das seit etwa fünf Jahren und mussten diese Ausbildung nie wegen mangelnder Beteiligung ausfallen lassen. Wir stellen klar, dass wir keine bergsteigerischen Fähigkeiten schulen, sondern unser Augenmerk vor allem auf die spirituelle Dimension der Bergwelt und der Bewegung in ihr richten. Die Teilnehmer sollen also bergsteigerische und natürlich auch die nötigen konditionellen Fähigkeiten mitbringen, um mit sich selbst und einer Gruppe sicher durchs Gebirge zu kommen. Ich bin gerade dabei, Kriterien für Leiter von Bergexerzitien zusammenzustellen. Dazu gehören die Fähigkeiten, Menschen geistlich begleiten und kompetent durch die Bergwelt führen zu können. Gerade zu letzterem sind wir mit dem Deutschen Alpenverein im Gespräch, um sein Know-how zu nutzen und für Absolventen unseres Kurses eine Wanderleiterausbildung mit einem Bergführer des DAV als Ausbilder anzubieten.

Interview: Markus Hauck (POW)

Zur Person

Helmut Betz (49) ist verheiratet und Vater dreier Töchter im Alter von 11, 17 und 21 Jahren. Der Diplomtheologe und Magister der Philosophie arbeitet als Theologischer Referent für den Arbeitskreis „Kirche und Sport“ in Bayern sowie den DJK-Sportverband der Erzdiözese München und Freising. Betz hat für seine Aufgabe die Übungsleiterausbildung des Deutschen Olympischen Sportbunds sowie die Ausbildung zur Exerzitien- und Geistlichen Begleitung bei der Gruppe „ephata“ absolviert und ist Co-Autor mehrerer Bücher zum Thema Sport und Spiritualität.

(2408/0722; E-Mail voraus)

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